Berührungen und Grenzen

Berührung ist Nahrung

Anfang des 20. Jahrhunderts lag die Sterberate unter Säuglingen, die in Waisenhäusern der USA untergebracht waren, bei mehr als 90 Prozent. Das wenige Personal hatte neben dem Wickeln und Füttern keine Zeit, um die Kleinen zu streicheln und ihnen körperliche Wärme zu geben. Erst später fand man durch breit angelegte wissenschaftliche Projekte heraus, dass durch zu wenig Körperkontakt die Säuglinge gestorben sind.
Fazit: Ein Kind, das während seines Heranwachsens nicht genügend Streicheleinheiten erhält, also sensorisch unterernährt ist, reagiert mit gehemmtem Knochenwachstum, mangelnder Gewichtszunahme, schlechter Muskelkoordination, Immunschwäche und Teilnahmslosigkeit. Oder es reagiert mit Hyperaktivität.

 

Das größte Sinnesorgan

Die Haut bildet als unser größtes Sinnesorgan die Grenze zwischen der Außen- und der Innenwelt. Jede Art von Berührung löst eine enorme Flut von Informationen durch unseren Körper aus. Über 500.000 sensorische Nerven in unserem Körper sorgen dafür, dass alle Informationen an unser Hirn weitergeleitet werden.

 

Berührung macht glücklich

Berührung kann die Ausschüttung von Glückshormonen anregen. Die Folgen sind ein allgemeines Wohlbefinden und eine Harmonisierung der gesamten Körperfunktionen. Das vegetative Nervensystem wird beruhigt und Spannungen werden abgebaut. Dies bewirkt eine spürbare Beruhigung und Erholung von Körper, Geist und Seele. Eine körperliche Berührung, eine Umarmung tröstet uns, kann uns Ängste nehmen und neuen Optimismus schenken. Menschen die regelmäßig kuscheln sind friedvoller, ausgeglichener und zufriedener.

 

Durch Berührungen Grenzen wahrnehmen

Die Haut als physische Grenze liegt zwischen der inneren, psychischen Grenze (eigene Gefühle, Gedanken und Verhalten) und der territorialen Grenze (persönlichen Platz im Raum, eigenes Zimmer/Wohnung, etc.).
Durch Berührungen kann man lernen, wie man mit dem Wahrnehmen und Setzen von Grenzen umgeht. Dies wirkt sich direkt auf den Umgang mit den eigenen psychischen und territorialen Grenzen aus.

 

Heilung durch Berührungen

Berührungsübungen sind daher in allen Seminaren ein sehr wichtiger Bestandteil der Wachstumsarbeit und eine äußerst wichtige Möglichkeit, um Heilungsprozesse beginnen zu lassen oder überhaupt zu ermöglichen. Liebevolle und absichtslose Berührungen stärken auch das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen.

 

Die Scham der Berührung

Oft hindert einen ein tiefes Gefühl der Scham, andere zu berühren oder sich berühren zu lassen. Es braucht Zeit diese Scham wahrzunehmen und als einen Teil der eigenen Geschichte anzunehmen. Sie wahrzunehmen und vielleicht auszusprechen, nimmt ihr die Kraft und lässt unsichtbare Mauern zusammenbrechen.

 

Durch Berührungen in Kontakt kommen mit der eigenen Verletzlichkeit

Ein weiterer Grund warum wir uns Berührungen nicht wirklich öffnen können, liegt in dem vielleicht schmerzhaften Kontakt mit alten Wunden. Indem wir die Berührungen nicht wirklich in unser Herz hineinlassen, vermeiden wir den Kontakt mit alten Verletzungen, der Körper zieht sich zusammen und unser Herz verschließt sich. Hier ermöglichen sanfte Übungen im sicheren Seminarraum eine langsame Öffnung und den Beginn eines Heilungsprozesses „Ich bin es wert berührt zu werden, ich werde geliebt“ Diesen Heilungsprozess kann man sich nicht anlesen, man muss ihn in der Berührung erleben.
Indem wir lernen unsere Grenzen besser wahrzunehmen und zu beachten, gewinnen wir mehr Selbstwertgefühl und Vertrauen. Und mit mehr Selbstliebe trauen wir uns öfters Grenzen zu setzen oder brauchen manche Schutzgrenze nicht mehr.

 

Grenzen erfahren und zeigen

Andere berühren und berührbar sein, sich öffnen und Grenzen setzen sind wichtige Lernschritte für einen gesunden Wachstumsprozess. Wir müssen unsere Grenzen erkennen und nach außen zeigen und formulieren können. Erst dann ermöglichen wir uns den sicheren Raum, um in Kontakt zu gehen und darin präsent zu bleiben.
Wenn wir diese Grenzen zu hart setzen, werden wir unberührbar. Wenn wir zu durchlässig sind, verlieren wir unseren Raum. Wie viel Öffnung und Flexibilität brauche ich, um nährende und sichere Begegnungen zu erleben? Brauche ich mehr Öffnung oder muss ich genauer und klarer Grenzen setzen? Um mich wirklich öffnen zu können, brauche ich das Vertrauen, dass ich meine Grenzen setzen kann, wenn ich den Schutz brauche.

 

Gesunde Grenzen

Gesunde Grenzen geben ein Grundvertrauen in die eigene Sicherheit und bringen Wohlbefinden. Gesunde Grenzen sind flexibel und sie verändern sich in der jeweiligen Situation von Moment zu Moment. Man kann auswählen, was herein und was hinaus darf. Mit gesunden Grenzen kannst Du mit ganzem Herzen „Ja“ oder „Nein“ sagen und verfügst über die vielfältigen Möglichkeiten dazwischen. Du kannst Dich ganz öffnen für einen vertrauten geliebten Menschen oder Dich schützend verschließen, um psychische und physische Verletzungen fernzuhalten. Wirklich „JA“ und „NEIN“ sagen zu können, ermöglicht erst echten authentischen Kontakt und ist die Voraussetzung für Intimität.

 

Umgang mit Grenzen

Es gibt Menschen mit einem unterentwickelten Abgrenzungsverhalten. Es fällt ihnen schwer, nein zu sagen und eigene Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen. Auf der anderen Seite gibt es Menschen mit einem überbetonten Abgrenzungsverhalten. Sie nehmen andere Menschen als Bedrohung wahr und haben Schwierigkeiten zu vertrauen, Intimität und Verletzlichkeit zuzulassen, können ihre Schutzmauern nicht fallen lassen. Manche pendeln auch zwischen zu wenig Abgrenzung und einer überbetonten Abgrenzung hin und her. Es fehlt Ihnen die ganze Bandbreite dazwischen. Andere wiederum haben unvollständige Grenzen, daher nur in bestimmten Situation (in der Liebesbeziehung oder mit Autoritätspersonen, Eltern oder Kindern) sind die Grenzen zu eng oder zu weit.

 

Wenn Grenzen verletzt wurden …

– erlauben diese Menschen oft bewusst oder unbewusst anderen ihre Grenzen zu überschreiten.
– verletzen diese Menschen oft sich selbst oder sie suchen Situationen, die ihnen nicht gut tun
– verletzen diese Menschen oft andere, gehen in Widerstand oder bauen Mauer um sich auf

 

Warum ein Seminar „Absichtslose Berührung und Grenzen“?

„Menschen mit gesunden Grenzen haben die Türklinken innen im Raum.
Sie können die Türen nach Bedarf öffnen und schließen. Menschen mit unterentwickelten oder verletzten Grenzen haben die Türklinken außen.
Andere entscheiden, ob und wann sie die Tür öffnen und hereinkommen“.
John Bradshaw
Es ist unser Anliegen im Seminar „Liebevolle Berührung und Grenzen“ mit achtsamen Übungen Wachstumsprozesse zu ermöglichen, damit wir wieder die „Türklinken“ in uns haben und über unseren eigenen Raum verfügen können. Erst dies gibt Sicherheit und Vertrauen für eine wirkliche Öffnung nach Außen und auch nach Innen, zur eigenen Essenz und Schönheit.
Das Vertrauen in das Leben, in den jeweiligen Augenblick wächst, Du kannst das Leben genießen, so wie Du es in jedem Moment erlebst. Du musst nichts mehr festhalten und es gibt nichts mehr loszulassen.