Tantra und Trauma-Arbeit

Tantra und Trauma gehören die zusammen? Wo begegnen sie sich denn? Sobald Du Dich für ein bewussteres Leben interessierst, kommst Du mit Deiner alten Geschichte in Kontakt, in der einige noch nicht verarbeitete Traumen schlummern. Tantra alleine ist kein Allheilmittel für all die individuellen Geschichten, die sich durch alltägliche Missachtungen, Beschämungen, Bewertungen und Enttäuschungen im Laufe eines Lebens aufgebaut haben. Um Schritte in die Tiefen Deiner Seele gehen zu können, um Heilung zu erfahren, braucht es exaktes Wissen und Erfahrung, wie man mit Traumata umgeht. Wird Tantra ohne Trauma-Arbeit gelehrt, bleibt es nur an der Oberfläche kratzen. Das macht zwar einige Zeit Spaß, aber letztendlich bringt es nicht wirkliche Veränderung. Tiefgehende Heilung bleibt aus und man dreht sich weiter im altbekannten Rad der Enttäuschungen und Hoffnungslosigkeit.

 

Was ist Tantra?

Tantra ist ein spiritueller Weg der Erfahrung, ohne Dogmen und Glaubensbekenntnisse. Tantra ist „eine Erkenntnis über das Leben“ und „eine Art zu leben“ und zeigt einen spirituellen Weg auf, Sexualität, Liebe und Bewusstsein in Einklang zu bringen und auszudehnen. Tantra ist ein uneingeschränktes JA zum Leben, so wie es gerade stattfindet, ein Leben im Hier und Jetzt.

 

Was bedeutet Tantra in Bezug auf Sexualität?

Tantra bedeutet eine neue, freie, achtsame, sinnliche und ekstatische Sexualität. Tantra sagt, dass Sexualität und Spiritualität “die beiden Seiten derselben Energie” sind. Es bejaht daher die sexuelle Energie, weil sie für den inneren Transformationsprozess genutzt werden kann. Tantra bejaht unsere Lust und unsere Sexualität, ohne darauf fixiert zu sein. Es öffnet die Sexualität für Liebe und Bewusstsein.

 

Was bedeutet Tantra für die Medien?

Leider sind die Medien meist nur an dem sexuellen Teil von Tantra interessiert, weil er sich am besten für das Marketing nutzen lässt. Manche Teilnehmer glauben, dass sie nur viele tantrische Erfahrungen machen brauchen, um alle ihre Probleme zu lösen.

 

Was hat Tantra mit Trauma zu tun?

Es zeigt sich in den sehr körperlichen und sinnlichen Begegnungen in Tantra-Seminaren, dass die Menschen weich und verletzlich werden, in Kontakt mit ihrer verletzlichen Geschichte kommen. Die alten traumatischen Erfahrungen werden aktiviert, die oft über Jahrzehnte im Körper und im Nervensystem gespeichert wurden.

 

Was ist ein Trauma?

Ein Trauma ist zum Beispiel eine einzelne intensive Lebenserfahrung (Unfall), die in diesem Moment für das Kind, den Jugendlichen oder Erwachsenen überwältigend war und daher eine angemessene Reaktion oder Schutz nicht möglich waren. Alle Verarbeitungsmechanismen, die der Person bisher zur Verfügung standen, waren nicht ausreichend, um mit der Situation umzugehen. Zum Trauma wird die ganze Situation aber erst, wenn die eingefrorene traumatische Energie, die im Nervensystem gespeichert ist, nicht freigesetzt wird. Das bedeutet, dass das Ereignis nicht durch ein Entladen der traumatischen Energie abgeschlossen wurde. Erst durch das Festhalten der aktivierten Überlebensenergie werden sich mittel- und langfristig Symptome zeigen. Dies hat Dr. Peter Levine erkannt und mit „Somatic Experiencing“ eine traumatherapeutische Methode entwickelt, um diese eingefrorenen Energien zu entladen. Es geht also nicht darum Symptome zu behandeln, sondern mit der festgehaltenen traumatischen Energie zu arbeiten und sie sanft zu entladen.

 

Schock-Trauma und serielle Traumata 

Es gibt einzelne intensive Lebenserfahrungen, die in diesem Moment für das Kind, den Jugendlichen oder Erwachsenen überwältigend waren und daher eine angemessene Reaktion oder Schutz nicht möglich waren. Diese Ereignisse nennt man Schock-Traumata. Von einem traumatisches Lebensumfeld spricht man, wenn es tagtäglich an der notwendigen Unterstützung für eine gesunde Entwicklung fehlte und wenn seelische Verletzungen in Form von Beschämungen, Beschuldigungen und Beurteilungen erfolgten. Dies sind serielle traumatische Erfahrungen die entwicklungspsychologisch zu Überlebensstrategien und Schutzmechanismen führen.

 

Wie kann Heilung und Wachstum geschehen?

In unserer Arbeit verwenden wir zwei grundlegende Methoden und die dazugehörigen Werkzeuge:

Heilung von Schocktraumata mit „Somatic Experiencing“ nach Dr. Peter Levine
Bei Schocktraumata vermitteln wir die Werkzeuge und Methoden von „Somatic Experiencing“ nach Dr. Peter Levine. Dies sind sehr achtsame und hoch effiziente Werkzeuge um mit aktivierten traumatischen Energien umzugehen und sie Stück für Stück zu entladen. Diese Methodik ist Ressourcenorientiert, das heißt, dass der Ausgangspunkt immer die Verbindung mit den eigenen Kraftquellen ist, bevor man sich mit traumatischen Energien auseinandersetzt.

Heilung von „Seriellen Taumata“ nach Dr. Larry Heller
Die Heilung von seriellen Traumata braucht den entwicklungspsychologischen Ansatz der fünf Kernressourcen nach Dr. Larry Heller (NARM-Modell). Dabei geht es darum, wieder in Kontakt mit den fünf Kernressourcen zu gehen, die wir für unsere menschliche Entwicklung und Wachstum brauchen.

Die 5 Kernressourcen:
1. „Willkommen sein“
2. „Bedürfnisse“
3.“ Vertrauen“
4. „Autonomie“
5. „Liebe und Sexualität“

In klar strukturierten Übungen zeigen wir ganz konkrete Wege zu diesen fünf Kernressourcen auf. Auf diesem Weg machen wir uns die Überlebensstrategien bewusst, zeigen auf welche „Scham-Identitäten“ und „Gegen-Identitäten“ wir uns angeeignet haben und wie wir wieder unser ursprüngliches Selbst finden.

 

Wie sieht Trauma-Arbeit in unseren Tantra-Seminaren aus?

Aus unserer Sicht braucht es daher bei einer achtsamen tantrischen Arbeit Werkzeuge und Methoden um mit traumatischen Energien umgehen zu können. Achtsame tantrische Arbeit braucht daher einige essentielle und unabdingbare Elemente:

1. Alles ist eine Einladung
Die Grundenergie in tantrischen Seminaren muss sein: „Alles ist eine Einladung“. Einladung bedeutet, dass jeder Teilnehmer / jede Teilnehmerin von der Seminarleitung unterstützt wird, darauf zu achten, ob sie/er die Übung gerade mitmachen möchte oder gerade eine Auszeit braucht. Weder die Seminarleitung noch die Gruppe üben dabei Druck aus. Die Seminarleitung achtet darauf, dass der Teilnehmer / die Teilnehmerin im Spüren bleibt, das heißt, im Kontakt mit den eigenen Körperempfindungen und Gefühlen ist. Viele Sätze beginnen daher mit: „Ich möchte Dich einladen …“ und es braucht viel Zeit bis durch gemachte Erfahrungen die Sicherheit bei den Teilnehmern wächst, “ JA, es ist ok, wenn ich auf mich achte“, mich an die erste Stelle setze, nicht den anderen gerecht werde und mein Ding mache.
Oft „übersetzen“ Teilnehmer die Einladung in „Ich sollte doch tun …“ .

2. Unterstützende Übungsstrukturen und genaues Zeigen der Übung
Klare Übungsstrukturen sollen die Teilnehmer unterstützen, alte Überlebensmuster zu erkennen und daraus auszusteigen. Die Struktur hilft, sehr achtsam und dosiert mit aktivierten traumatischen Energien umzugehen und sich Selbst als Heiler zu erfahren.

3. Traumatherapeutische Unterstützung bei aktivierten traumatischen Energien
Bereits beim Zeigen einer tantrischen Übung oder innerhalb der tantrischen Übung kann alte traumatische Energie aktiviert werden. Automatische Schutzreaktionen können dann jedes sich Spüren abschalten bis hin zu Erstarrungsreaktionen. Teilnehmer können dadurch in eine Schockreaktion kommen, in der sie weiter funktionieren und dies für sie Selbst und von Außen kaum erkennbar ist. Die Schockreaktion schneidet den Teilnehmer vom Spüren der eigenen Körperempfindungen und Emotionen ab und er kann die Übung (aus seiner Sicht) erfolgreich absolvieren. Für eine Heilung oder Wachstum ist dies jedoch nicht unterstützend und eher schädlich. Bei diesen Reaktionen von Teilnehmern braucht es die Achtsamkeit der Seminarleitung für solche Aktivierungen und eine entsprechende Unterstützung für die Teilnehmer.

4. Integrationszeit ist Heilungszeit
Jede Übung schließen wir mit einer mehr oder weniger langen Integrationszeit ab. Dies ist oft die eigentliche Heilungszeit, wo sich das eigene System neu ordnen und reorganisieren kann. Dies ist eine stille Zeit des Nachspürens im einem unterstützenden Umfeld, in dem alter traumatischer Schmerz und ein heilendendes Umfeld gleichzeitig da sind, wahrgenommen und gefühlt werden können.

5. Bewusstseinsraum zum Spüren und Mitteilen
Die Spür- und Mitteilungsräume der ganzen Gruppe und in Kleingruppen sind wesentliche Elemente in unserer Arbeit. Während dieser Räume wird eigenes inneres Geschehen durch das Mitteilen nach Außen sichtbar. Es geht darum das innere Spüren und Geschehen wahrnehmen, es zu fühlen und mitzuteilen, ohne irgendetwas damit zu machen. Dies schafft Bewusstsein für den eigenen inneren Prozess und unterstützt bei der Entladung alter traumatischer Energien. Die Mitteilung eines Teilnehmers wiederum kann bei anderen Teilnehmern Bewusstseinsprozesse auslösen und es können Wachstumstüren aufstoßen. Dies sind einige wichtige Elemente der traumatherapeutischen unterstützenden Strukturen in unseren Tantra-Seminaren.

Wir sind unseren Lehrern sehr dankbar, für die wertvollen Methoden, die unsere Arbeit sehr unterstützen.
Peter und Eva

 

Trauma-Arbeit „Somatic Experiencing“ 

Die Trauma-Arbeit nach Peter Levine heißt “Somatic Experiencing” und ist ein ressourcenorientierter Therapieansatz um sehr sanft und sehr effizient traumatische Energien aufzulösen. Die Trauma-Arbeit “Somatic Experiencing” ist eine wesentliche Grundlage unserer Gruppenarbeit.

 

Entwicklungspsychologisches Modell „Narm“ 

Das “NARM-Modell” (Neuro_Affectice_Regulation_Model) ist ein entwicklungspsychologisches Modell von Dr. Larry Heller.

Dieses Ressourcen-orientierte Modell hilft den Menschen wieder in Verbindung zu gehen mit den Teilen des Selbst, die gut organisiert sind und funktionieren. Es unterstützt die Reorganisation der Teile des Selbst, die unorganisiert sind. Die nichtfunktionalen Elemente werden nicht zu den primären Themen der Therapie gemacht.

 

Was ist „Somatic Experiencing”?

Somatic Experiencing Die Verarbeitung von überwältigenden Erlebnissen, Schocktraumata wie Verkehrsunfällen, Stürzen, Operationen, schweren Krankheiten, von Missbrauch, Gewalt und Bedrohung, Verlust eines nahen Menschen, Naturkatastrophen, Krieg, u.a.m. erfordert bei nachfolgenden Hilfestellungen oder therapeutischen Maßnahmen eine besondere Sichtweise. Somatic Experiencing bietet die Möglichkeit, mit solchen Erfahrungen besonders behutsam, dennoch in der Tiefe erfolgreich zu arbeiten. Die meisten Therapiemethoden berücksichtigen in der Regel nicht in ausreichender Weise die während eines bedrohlichen Ereignisses ablaufenden körperlichen Reaktionen. Anders das von Peter Levine entwickelte Modell zur Überwindung und Integration traumatischer Ereignisse. Es beruht auf Verhaltensbeobachtungen in der Tierwelt. Der zugrunde liegende biologische Mechanismus geht auf das Jäger-Beute-Verhalten zurück, einen ursprünglichen Reiz-Reaktions-Zyklus mit grundsätzlich drei Optionen: Flucht-, Angriff- und Totstell-Reflex. Tiere in freier Wildbahn sind zwar häufig lebensbedrohlichen Gefahren ausgesetzt, werden jedoch nicht nachhaltig traumatisiert, da sie über angeborene Mechanismen verfügen, die es ihnen ermöglichen, die hohe, im Überlebenskampf mobilisierte Stress-Energie wieder abzubauen. Zwar sind wir Menschen mit grundlegend gleichen Regulationsmechanismen ausgestattet, doch wird die Funktionsfähigkeit dieser instinktgeleiteten Systeme häufig durch den „rationalen“ Teil unseres Gehirns gehemmt und außer Kraft gesetzt.
Dies kann bei uns Menschen dazu führen, dass die vom Körper im Alarmzustand bereit gestellte Überlebensenergie vom Nervensystem nur unvollständig oder verzögert aufgelöst wird. Der Organismus reagiert in der Folge weiterhin auf die Bedrohung der Vergangenheit. In diesem Falle sind die in der Gegenwart zu beobachtenden Reaktionsweisen, Verhaltensmuster, Überzeugungen, Gedanken und Gefühle der Person oft noch mit den erschreckenden Erfahrungen der Vergangenheit gekoppelt.

Für die Betroffenen entstehen oft verwirrende und auch beängstigende psychische und somatische Symptome. Diese zeigen sich, eventuell erst Jahre später, als Übererregbarkeit, Überaktivität, jähzornige Wutausbrüche, Ängste, Panik, Depressionen, Gefühle von Entfremdung, Konzentrationsstörungen, Dissoziation, Bindungsunfähigkeit, Schlafstörungen, Erschöpfung, chronische Schmerzen, Migräne, Nacken- und Rückenprobleme, Probleme mit dem Immunsystem oder dem Endokrinum, Burnout uvm. Trauma entsteht, wenn bei Überreizung des Nervensystems der ursprünglich natürliche Zyklus von Orientierung, Flucht, Kampf und Immobilitäts-Reaktion nicht vollständig durchlaufen werden kann oder gar nicht erst zustande kommt.
Bei der Aufarbeitung der Folgen von Schock und Trauma muss deshalb die körperliche Reaktion auf das verursachende Ereignis als eigenes Phänomen verstanden und berücksichtigt werden. Gelingt es dem Menschen die biologischen Prozesse schrittweise und langsam zu vervollständigen, so kann die Person wieder Zugang finden zu ihren angeborenen, lebenswichtigen Reaktionsmöglichkeiten wie Orientierung, Flucht, Kampf, Verteidigung, und so ihre volle Lebensenergie zurückgewinnen, die zum Zeitpunkt der Überwältigung nicht zur Verfügung stand, bzw. eingefroren ist.

„Ein Trauma ist im Nervensystem gebunden. Es ist somit eine biologisch unvollständige Antwort des Körpers auf eine als lebensbedrohlich erfahrene Situation. Das Nervensystem hat dadurch seine volle Flexibilität verloren. Wir müssen ihm deshalb helfen, wieder zu seiner ganzen Spannbreite und Kraft zurückzufinden“.
(Peter Levine)
Mit SE wird das traumatische Ereignis körperlich und geistig „neuverhandelt“. Dabei ist nicht das Ereignis selbst entscheidend, sondern die Reaktionsweise des Nervensystems, d.h. wie die physiologischen Regulationskräfte des Nervensystems mit der Bedrohung fertig geworden sind. Mit SE ist es möglich, ohne Inhalt oder Erinnerung zu arbeiten, wenn das Ereignis emotional zu belastend erscheint. Eine mögliche Re-Traumatisierung bei der Aufarbeitung wird vermieden, indem die „eingefrorene“ Energie in kleinen Dosen „aufgetaut“ wird und schrittweise zur Entladung kommt. Durch das Aufspüren und Wiederbeleben dieser biologischen, körperlichen Abwehrkräfte, entsteht aus dem traumabedingten Gefühl von Lähmung und Erstarrung ein Gefühl von Lebendigkeit und eine Eröffnung von neuen Möglichkeiten und Lebensfreude. Die tief verankerten Nachwirkungen von Trauma können sich schonend auflösen.

Weitere Informationen auf: www.somatic-experiencing.de

 

Literatur

Peter Levine, “Trauma-Heilung”

Peter Levine, Maggie Kline, “Verwundete Kinderseelen heilen”

Diane Poole Laurence S. Heller, “Crash Kurs zur Selbsthilfe nach Verkehrsunfällen”

 

SE-Therapeuten und Fortbildung

Eine Liste mit weiterführenden Links u.a. zu SE-Therapeuten und Fortbildung findest Du auf www.bewusster-lieben.de/service/links.